Warum die Preise in der Schweiz günstiger sein müssten als im Ausland und wie die Schweiz davon profitieren würde.
1. Bezahlte Preise Im Ausland
1. 1. Der Preisunterschied
Meine Erfahrung mit dem Auslandeinkauf (Online und Waldshut) führt mich zur Annahme, dass die Industriegüter in Deutschland rund 1/5 tiefer sind. Auf 1000 CHF macht das 200 CHF Franken Differenz. Bei einzelnen Warenkategorien ist der Unterschied deutlich grösser. Die Annahme ist also eher zurückhaltend
Also haben wir aus Ziff. 1.1. 20% Preisreduktion
1.3 Fazit 1
Für unser 1000 Fränkiges Gut zahlen wir also in Deutschland 800 CHF, 200 CHF weniger als in der Schweiz.
Wir müssten jetzt also Gründe finden für diesen Preisunterschied: Warum zahlen wir in der Schweiz 200 CHF mehr für ein Produkt mit einem Preis von 1000 CHF. Soviel sei vorweg genommen: Es gibt keine, im Gegenteil, die Güter müssten in der Schweiz günstiger sein. Jetzt aber der Reihe nach.
2. Gründe für den Preisunterschied
Vorbemerkung: Wir argumentieren hier der Einfachheit halber mit den Kosten für den Anbieter. Wir nehmen also an, dass die Kosten die Preise bestimmen.
Das stimmt in Realität nicht, denn die Unternehmen belasten den Preis, den sie im Markt bekommen können. Dieser Mechanismus ist ein wichtiger Grund für die Preisinsel Schweiz, weil am Ende alle zu viel verlangen und dafür Schutzbehauptungen und Pseudoargumente vorbringen.
2.1. Die Produktivität
Die Gesamtkosten für die Unternehmen werden markant verbilligt durch zwei Faktoren
2.2.1. Produktivität 1
Die Produktivität ist in der Schweiz substantiell höher als in Deutschland. Es ist die erste Auswirkung eines liberalen Arbeitsrechtes, dass die Arbeitnehmer motiviert sind, weshalb der Absentismus in der Schweiz viel tiefer ist als in Deutschland, wo "krankfeiern" ein stehender Begriff ist. Dazu kommen die längeren Arbeitszeiten und tiefere Kosten z.B. für Mütter - in Deutschland Arbeitsplatzgarantie. Aber es gibt noch viele Belastungen für deutsche Unternehmen, z. B. die Mitbestimmung und die regulierten Berufe, die in Schweiz beide in Abstimmungen über Volksinitiativen verhindert wurden.
2.2.2. Produktivität 2
Die zweite Auswirkung des liberalen Arbeitsrechtes ist, dass sich die Unternehmen den Gegebenheiten im Markt leicht anpassen können. Sie können entlassen und einstellen, schrumpfen und wachsen ohne hohe Kosten. So können sie ihre Produktivität immer à jour halten ohne die Schwierigkeiten wie z.B. in Italien oder Deutschland mit dem ausgebauten Kündigungsschutz.
2.2.3. Fazit 2
Professor Eichenberger von der Universität Freiburg sagt deshalb, dass die höhere Produktivität allein den Preisunterschied sogar übertrifft, weshalb die Güter in der Schweiz schon deshalb billiger sein müssten als beispielsweise in Deutschland. Die Produktivität, auf unseren Fall gewendet, verbilligt das Produkt von 1000 CHF auf 800 CHF oder noch tiefer.
Die Produktivität allein macht, wieder eine zurückhaltende Annahme, in unserer Rechnung mindestens die Verteuerung um 200 Franken wett. Unser Gut dürfte also nur gleich viel Kosten wie in Deutschland, also 800 Franken.
Aber es gibt noch anderes, das die Produkte in der Schweiz verbilligen müsste.
3. Sozialkosten und Löhne
3.1. Höhe der Sozialkosten
Die Sozialkosten im Sinne der zwingenden Lohnnebenkosten, die der Arbeitgeber trägt, liegen in Deutschland bei 40%, in Frankreich bei 50% und in der Schweiz bei 13.05%. Wir können also abrundend und damit konservativ - rund 25% tiefer Lohnebenkosten annehmen. Die höheren Schweizerlöhne werden durch die tieferen Sozialkosten mehr als ausgeglichen, es ergeben sich sogar tiefere Arbeitkosten in der Schweiz.. (vgl. promotion-schweiz.ch)
Es sei hier nochmals daran erinnert, dass die Löhne in vielen Unternehmen nur einen kleinen Bruchteil der Gesamtkosten ergeben, so dass sie auch deshalb wenig Einfluss haben auf die Produktpreise.
3.2. Fazit 3
Unser 1000 Fränkiges Gut ist in unserer Kostenrechnung zufolge der Produktivität auf dem den deutschen Europreis gesunken, auf 800 Franken.
Wir könnten auch aus den tieferern Lohnkosten noch ein paar Prozent Produkteverbilligung pressen, aber wir verzichten darauf, um auf der sicheren Seite zu bleiben. Die Kosten bleiben auf 800 CHF
4. Die Mehrwertsteuer
4.1. Unterschied
Weil die Mehrwertsteuer die Güter für den Konsumenten verteuert, ist der Unterschied auch für unsere Kostenrechnung bedeutsam.
In Deutschland beträgt die MwSt. 21%, in der Schweiz 8%. Wir haben einen Unterschied von 13%. Weil die Mehrwertsteuer auf allen Industriegütern liegt, können wir hier den vollen Satz abziehen.
4.2. Fazit 4
Das verbilligt unser Gut also um 130 Franken, so dass der gerechtfertigte Preis jetzt bei 670 CHF liegt.
5. Gewinnsteuern
Auch andere Kosten liegen für die Unternehmer tiefer in der Schweiz, so z.B. die Gewinnsteuern. Unbesehen die buchhalterische Behandlung der Gewinne können die Gewinnsteuern dennoch zu den Kosten gezählt werden. Wir nehmen an, wieder konservativ, dass die Gewinnsteuern 10% tiefer liegen. (Das ist ein Grund für die Attraktivität der Schweiz für ausländische Unternehmen.)
Weil die Gewinnsteuern für die Gesamtkosten nur eine untergeordnete Rolle spielen, zählen wir nur die Hälfte dazu, also 50 CHF
5.2. Fazit 5
Weil unser Preis nochmal um 50 CHF sinkt, fällt der gerechtfertigte Preis auf 620 CHF
6. Andere Faktoren
6.1. Welche Faktoren
Raumkosten, Ladenkosten, Zollkosten und Transportkosten verteuern die Produkte in der Schweiz bestenfalls marginal, denn die Unterschiede existieren nicht, sie bleiben bescheiden oder sie sind in hohem Masse beinflussbar, z.B. die Raumkosten. Bei der Qualität nehmen wir keinen Unterschied auf, denn ein Industrieprodukt wird nicht für den schweizer Markt verbessert. Zurzeit werden die Importe indessen auch durch die Währungsverhältnisse verbilligt.
Sicherheitshalber gestehen wir diesen anderen Faktoren trotz der Währungsfrage 5% zu Mehrkosten zu.
6.2. Fazit 6
Wir belasten unser Preis also mit 50 Franken und kommen so auf 670 CHF.
Unser Gut dürfte also 670 Franken kosten. Es müsste also 330 CHF günstiger sein und damit 130 CHF günstiger als in Deutschland.
Mit weniger konservativen Annahmen sänke der Preis nochmal um geschätzt 10%.
Anderseits müssten wir den Unternehmen in Abweichung von der Kostenrechnung einen Profit zugestehen, vielleicht auch 10%.
Das rechnen wir gegeneinander auf und lassen es bei null stehen.
7. Rechnerische Zusammenfassung
Preis des Produktes in der Schweiz 1000 CHF
Reduktion durch Preisniveau 20% = 200 CHF 200 CHF
Bezahlter Preis 1000 minus 200 800 CHF
Produktivität gleicht aus: 1000 minus 200 800 CHF
Entspricht dem vorläufigen, gerechtfertigten Preis in der Schweiz
Davon ziehen wir ab
Tiefere Mehrwertsteuer in CH 1000- 13% 130 CHF
Tiefere Gewinnsteuern in CH 5% = 50 CHF 50 CHF
Neuer gerechtfertigter Preis 800 minus 180 620 CHF
Dazu zählen wir
Andere, verteuernde Faktoren in CH 5% 50 CHF
Gerechtfertigter Preis in der Schweiz 670 CHF
Fazit:
Was uns in der Schweiz 1000 CHF kostet, dürfte nach dieser Kostenrechnung nur 670 CHF kosten, also zahlen wir 330 CHF zu viel. Die Kosten für die Konsumenten für Industrieprodukte sind in der Schweiz also nach dieser Rechnung um 33 % zu hoch.
8. Folgen des richtigen Preises
8.1. Umkehr des Einkaufstourismus
Weil sich der Preisvorteil mehr als umdrehen würde - um 130 CHF- und in der Schweiz anfiele, wenn die Industrieprodukte in der Schweiz ihren richtigen Preis hätten, so würden nicht wir in Deutschland einkaufen, sondern die Deutschen, die Franzosen, die Österreicher und die Italiener bei uns. Nicht ausgeschlossen, dass es auch aus entfernteren Gegenden Shoppingreisen in die Schweiz gäbe so wie es diese jetzt von der Schweiz in die USA gibt.
Das würde ein Superbild der effizienten und produktiven Schweiz abgeben und es gäbe einen neuen Grund für die Hochsteuerländer um uns herum, sich am Beispiel der Schweiz zu messen.
So wie jetzt in Waldshut nur Schweizerdeutsch zu hören ist und alle Beizen und alle Parkhäuser von Schweizern belegt werden und bei Edeka fast nur Schweizer an der Kasse stehen, so wäre in Zürich fast kein Schweizerdeutsch mehr zu hören an einem Samstagnachmittag, die Kassen würden klingeln und die Steuern würden fliessen.
Aber nicht nur würde der Einkaufstourismus die Richtung ändern, auch die lokale Nachfrage würde steigen, wenn die Preise auf breiter Front um einen guten Drittel sinken würden. Man stelle sich das mal vor! Autos statt 30 000 neu 20 000, statt 100 000 neu 67 000, eine guter Kaffeeautomat statt 1500 nur 1000, eine schöne, mechanische Uhr statt 5000 nur 3300.
Ein Fahrgast, der für seine Firma lange in den USA arbeitete und erst seit ein paar Wochen wieder im Mutterhaus in der Schweiz einen Job hatte, hatte für seinen Mercedes in den USA genau diese 67000 bezahlt. Und in der Schweiz kostet dasselbe Modell genau 100 000. Dieser Fahrgast gab deshalb seinen Plan, hier einen neuen Merc zu kaufen auf, und er holte sein USA-Merc für 3500 CHF an Transportkosten in die Schweiz.
Das zeigt uns, dass die Konkurrenz in den USA dazu geführt hat, den Preis dahin zu führen, wo er auch in der Schweiz liegen sollte, denn die Produktivät in den beiden Ländern ist wahrscheinlich ziemlich ähnlich und einige andere Rahmenbedingungen auch.
8.2. Verbilligung fast für alles
Weil insbesondere die wichtigsten Aspekte der Produktivität und der tieferen Mehrwertsteuer überall in der Schweiz anfallen, also sogar bei den Wiederverkäufern und bei den Importen, könnte sich wirklich vieles verbilligen, eigentlich alles ausser den regulierten Landwirtschafts- und Gesundheitsprodukten.
8.4. Ausgleich für die Unternehmen
Die Hersteller und die Wiederverkäufer in der Schweiz könnten den Preisnachlass durch die Nachfragesteigerung ohne Beschädigung ihres wirtschaftlichen Erfolges locker wettmachen und die Nachfragesteigerung liesse auch Steuern in die Staatskasse fliessen.
8.5. Mein exemplarisches Beispiel
Für die Uhrenindustrie z.B. würde die Schweiz zum wichtigsten Markt, ich hätte keine Antea-Armbanduhr von Stowa im Schwarzwald (stowa.de) und keine Hermle Pendeluhr (manufactum.de) aus deutscher Produktion an der Wand, das Futter für unseren Hund würden wir hier kaufen und meine Jeans und mein Indoor-Trainingsvelo kämen nicht von einem ausländischen Onlineanbieter.
Gerade was teuer ist beschaffe ich im Ausland, denn ich will nicht mehr zahlen mit meinem sauer verdienten Geld als nötig. Die Abstimmung per pedes nach Waldshut zeigt mir, dass ich damit nicht allein bin.
9. Anschlussfrage
Und, notabene, die zu hohen Preise machen die Schweizer Unternehmen massiv reicher. Es wäre eine interessante Rechnung herauszufinden, um wie viel reicher es die Unternehmen macht. Vielleicht mache ich diese Rechnung auch noch eines Tages.
10. Nachtrag
Die Schweizer Wirtschaft ist trotz Finanzkrise und trotz der starken Währung in letzter Zeit nie in eine Rezession gefallen, es gab also immer Wachstum. Überaschenderweise wurde 2011 sogar ein rekordhoher Aussenhandelsüberschuss erarbeitet (15% des BIP). Der Überschuss des selbstdeklarierten Exportweltmeisters Deutschland beträgt nur 5%. (Für die letzten Zahlen NZZ vom 31.03.12.)
Das zeigt zwei Dinge: Die Exportwirtschaft ist enorm flexibel. Das zeugt von der hohen Produktivität. Es zeigt aber auch, wie wir von den Importeuren und den Wiederverkäufern übervorteilt werden. Es ist ein Skandal, denn diese Binnenwirtschaft, fett, wie sie ist, verstösst in verbrecherischer Weise gegen die Interessen der Schweiz und darum sollte die Politik eingeifen, wenn sich diese Binnenwirtschafter nicht selber am Schlawitel nehmen.
Die grössten Wiederverkäufer der Schweiz, die Detailhändler Migros und Coop haben viele Preise gesenkt. Audi hat kürzlich die Listenpreise um 11% gesenkt. Das ist schön und gut, aber es hat an der Hochpreisinsel Schweiz kaum etwas verändert.
In der Stadt Zürich habe ich einen Laden gesehen - für Musikinstrumente, glaube ich - der hat gross ins Schaufenster geschrieben "EUROPREISE" . So kann man es machen und es zeugt von einem, der sich gegen die Abwanderung seiner Kunden nach Deutschland wehrt, während die meisten andern stur bleiben und den Einkaufstourismus blamieren.